Landessektion finden oder auf der Seite suchen:

Feststellung der Blutalkoholkonzentration

Um die Blutalkoholkonzentration labortechnisch bestimmen zu können, ist eine Blutentnahme beim Verdächtigen erforderlich. Die Anordnung steht nach der Neuregelung von § 81a der Strafprozessordnung (StPO) im Jahr 2017 dem Richter, bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung auch der Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) zu.

Die Entnahme einer Blutprobe bedarf keiner richterlichen Anordnung, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass eine Straftat nach § 315a Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 und 3, § 315c Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a, Absatz 2 und 3 oder § 316 des StGB begangen worden ist.

Vortest

Weil die Entnahme einer Blutprobe mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist, ist die Polizei gehalten, aus Gründen der Verhältnismäßigkeit und zur abschließenden Verdachtsgewinnung zunächst einen Vortest mittels eines Atemalkohol-Testgerätes durchzuführen. Damit soll ausgeschlossen werden, dass beispielsweise der festgestellte Alkoholgeruch in der Atemluft nur auf einer ganz geringen Konsummenge beruht, die rechtlich unbedenklich ist.

Die Durchführung dieses Vortests setzt die aktive Mitwirkung des Verdächtigen voraus, der dafür in ein Prüfgerät blasen muss. Dazu darf ein Beschuldigter nach den in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Vorschriften jedoch nicht gezwungen werden. Der Vortest kann deshalb nur auf freiwilliger Basis erfolgen. In einigen anderen europäischen Staaten ist dagegen bereits die Weigerung, sich einer Atemalkoholkontrolle zu unterziehen, mit z. T. empfindlichen Sanktionen bedroht. So wird beispielsweise in Österreich und in der Schweiz in solchen Fällen grundsätzlich die höchste Geldstrafe für Alkoholdelikte fällig, die in Österreich derzeit zwischen ca. 1.200 und 6.000 € liegt. Es ist deshalb ratsam, sich vor Auslandsreisen mit dem Auto über die geltende Rechtslage zu informieren.

Wird durch den Vortest der Verdacht auf eine straf- oder ordnungsrechtlich relevante Alkoholisierung des überprüften Kraftfahrers zweifelsfrei ausgeräumt, hat es damit sein Bewenden. Weigert sich der Fahrzeugführer dagegen, den Vortest durchzuführen oder ergeben sich dabei Werte, die den Verdacht auf eine Straftat begründen, wird durch die Polizei zur weiteren Abklärung die Entnahme einer Blutprobe angeordnet.

Blutprobenentnahme

Die eigentliche Blutentnahme darf nur durch einen approbierten Arzt durchgeführt werden. Zu diesem Zweck kann der verdächtige Kraftfahrer von der Polizei zum nächsten erreichbaren Arzt, in ein Krankenhaus oder auf die Dienststelle gebracht werden.

Widersetzt sich der Verdächtige der Mitnahme und/oder der Blutentnahme durch einen Arzt, kann er dazu von der Polizei im Rahmen der Verhältnismäßigkeit notfalls auch durch Anwendung unmittelbaren Zwangs (Festhalten, Wegtragen, Hand- und/oder Fußfesseln) gezwungen werden. Wendet der Verdächtige seinerseits körperliche Gewalt an oder bedroht er die Polizeibeamten oder den Arzt, um die Durchführung der rechtmäßig angeordneten Blutentnahme zu verhindern, macht er sich wegen (versuchter) Körperverletzung und ggf. wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB) strafbar. Eine dafür verhängte Strafe kann u. U. höher ausfallen als die für das Fahren unter Alkoholeinfluss.

Die Durchführung der Blutentnahme richtet sich nach bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschriften der Länder über die „Feststellung von Alkohol-, Medikamenten- und Drogeneinfluss bei Straftaten und Ordnungswidrigkeiten“.

Zum Ausschluss einer Verunreinigung der Probe, die zu einer Verfälschung des Messergebnisses führen könnte, erfolgt die Blutentnahme aus einer Armvene nicht mit einer herkömmlichen Einweg-Spritze, sondern durch ein speziell für diesen Zweck konstruiertes Entnahmemittel oder - in der preiswertesten Variante - durch eine mit ausziehbarem und später abbrechbarem Stempel versehene Kunststoffvenüle. Um dem Einwand zu begegnen, der später festgestellte BAK-Wert sei durch das zur Desinfektion der Einstichstelle verwendete Mittel zu Lasten des Beschuldigten verfälscht worden, dürfen zur Reinigung nur alkoholfreie Tupfer verwendet werden.

Zur eindeutigen Kennzeichnung werden die Blutproben sofort nach der Entnahme mit einem Aufkleber versehen, auf dem Name und Geburtsdatum des Probanden und der genaue Entnahmezeitpunkt vermerkt sind. Dazu kommt ein Aufkleber mit der Entnahmenummer sowie mit einer weiteren Kontrollnummer, die von der Polizei vergeben wird. Alle diese Angaben werden auch im polizeilichen Entnahmeprotokoll vermerkt und beim Auspacken und Registrieren der Proben im Labor verglichen. Die Handhabung kann in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich sein.

Je nach den in dem betreffenden Bundesland geltenden ergänzenden Bestimmungen beschränkt sich der die Blutentnahme durchführende Arzt nicht allein auf diese Maßnahme, sondern macht mit dem Beschuldigten noch verschiedene Tests, die ebenfalls für die Beurteilung der Fahrtauglichkeit von Bedeutung sein können (Entlanggehen auf einem Strich auf dem Boden mit plötzlicher Kehrtwendung, Finger-Nasen-Probe, Finger-Finger-Probe, mehrfaches rasches Drehen des Probanden um die eigene Achse mit anschließen- der Fixierung eines vorgehaltenen Gegenstandes zur Feststellung des sog. Drehnachnystagmus, Abnahme einer Schriftprobe, bei zusätzlichem Verdacht auf die Einnahme von Drogen und/oder Medikamenten ggf. weitere Tests wie die Prüfung der Pupillenreaktion auf Licht, der sog. Romberg’sche Stehtest und der Einbeinstand). Während die Blutentnahme von dem Kraftfahrer erduldet werden muss und notfalls zwangsweise durchgesetzt werden kann, ist die Mitwirkung an den weiteren Tests wiederum freigestellt. Diese Tests können auch durch Personen durchgeführt werden, die nicht Ärzte (Arzt im Praktischen Jahr oder Polizeibeamte) sind.

Der die Blutentnahme durchführende Arzt nimmt über diesen Vorgang sowie über die Begleituntersuchungen ein formularmäßiges Protokoll auf, das in einer späteren Gerichtsverhandlung als Urkundenbeweis verlesen werden kann. Zusätzlich kann der Arzt über seine Feststellungen bei der Probenentnahme und über die dabei durchgeführten Tests durch das Gericht als (sachverständiger) Zeuge gehört werden.

Auswertung der Blutprobe

Das analytische Vorgehen bei der Blutalkoholbestimmung ist grundsätzlich in den „Richtlinien für die Blutalkoholbestimmung für forensische Zwecke“ geregelt[1]. Danach sind prinzipiell 4 - 5 Einzelmessungen mit zwei unterschiedlichen Messverfahren (Gaschromatografie, ADH-Verfahren, Widmark-Verfahren) durchzuführen, deren Mittelwert, auf 2 Dezimalstellen genau angegeben wird, wobei die durch das Messverfahren und/oder die Mittelwertbildung möglichen Dezimalstellen ab der 3. Stelle abgeschnitten, d.h. nicht mathematisch ab- oder aufgerundet werden und so die Blutalkoholkonzentration (BAK) ergeben.

Die maximale Abweichung zwischen diesen 4 oder 5 Einzelwerten darf höchstens 10 % des Mittelwertes betragen. Präzision und Richtigkeit der Messungen werden durch tägliche Eichung der Geräte mittels Kontrollproben bekannten Gehalts überwacht. Zur externen Qualitätskontrolle sind weiterhin Ringversuche vorgeschrieben.

Das Ergebnis einer BAK-Bestimmung liegt meist innerhalb von 24 Stunden nach der Blutentnahme vor. Es wird schriftlich in Form eines Befundberichts entsprechend einem fachärztlichen Gutachten festgehalten, das später vom Gericht als Urkundenbeweis verlesen werden kann.

Gaschromatografische Analyse

Die sog. GC-Analyse ist die wichtigste Blutalkohol-Bestimmungsmethode. Dazu wird zunächst durch Zentrifugation aus dem aus der Blutentnahme stammenden Vollblut das Serum abgetrennt und nach Zugabe von tertiärem Butanol oder einem entsprechenden anderen sog. inneren Standard in einem gasdichten Probengefäß (Headspace-Glas) auf 60 bis 80° C erhitzt, bis nach ca. 20 Minuten ein Konzentrationsausgleich zwischen den im Serum enthaltenen (flüchtigen) Substanzen und dem Gasraum über der Flüssigkeit statt- gefunden hat. Eine genau definierte Menge dieses Gasgemischs, das in seiner Zusammensetzung sowohl qualitativ als auch quantitativ exakt die im Blutserum enthaltenen, verdampfbaren Stoffe widerspiegelt, wird nun mittels Stickstoff oder Helium durch eine sog. Trennsäule geleitet, in der jede einzelne im Probengas enthaltene Komponente entsprechend ihrer physikalischen Eigenschaften eine unterschiedliche, für die jeweilige Substanz charakteristische Zeit zum Passieren braucht, die in einem Diagramm, dem sog. Chromatogramm, festgehalten wird. Darin entspricht jede nach einer definierten Zeit auftretende Spitze im Kurvenverlauf (Peak) einer anhand von kalibrierten Vergleichsproben bestimmten chemischen Subs- tanz. Auf diese Weise kann ermittelt werden, welche Substanzen (Qualität) im Probengas und damit auch im Blutserum sind. Sodann werden diese durch die unterschiedlichen „Laufzeiten“ voneinander getrennten Substanzen mittels eines Flammen-Ionisations-Detektors (FID) in einer Wasserstoffflamme verbrannt. Die dabei entstehenden elektrisch geladenen Kohlenstoff-Ionen erzeugen zwischen zwei Elektroden einen Stromfluss, dessen Stärke direkt proportional zur Menge der jeweiligen Substanz (Quantität) ist.

Der Vorteil des GC-Verfahrens besteht darin, dass es bei den Routineuntersuchungen durch entsprechende Auslegung der Trennsäule spezifisch auf den Nachweis von Alkohol (Ethanol) eingestellt ist und in einem einzigen Untersuchungsgang sowohl eine qualitative als auch eine quantitative Analyse der aus jedem beliebigen Ausgangsmaterial (Vollblut, Serum, Urin, Speichel, Organe) erzeugten Gasprobe ermöglicht. Außerhalb von Routineuntersuchungen können auch andere in der Probe enthaltene flüchtige Substanzen (z. B. Aceton, Fäulnisalkohole, Ether, Chloroform) nachgewiesen werden können. Das GC-Verfahren eignet sich deshalb bei entsprechender Kalibrierung und Auswertung des gesamten Chromatogramms auch für eine sog. Begleitstoffanalyse (siehe nächste Seite).

ADH-Verfahren

Bei diesem enzymatischen Verfahren wird dem Blutserum das auch beim Alkoholabbau in der Leber mittels des ADH-Systems benötigte Co-Enzym NAD zugegeben. Die Menge des durch die Reaktion mit dem Alkohol daraus entstehen- den NADH‘s kann in einem Autoanalyser durch Messung mit Licht mit einer Wellenlänge von 365 nm photometrisch bestimmt werden. Sie ist direkt proportional zur Menge des in der Probe enthaltenen Alkohols.

Das Verfahren ist mit einem Probendurchsatz von 1 Probe pro Minute das schnellste Analyseverfahren. Es hat gegenüber dem GC-Verfahren allerdings den Nachteil, dass es nicht nur auf Ethanol reagiert, sondern auch auf andere in der Probe enthaltene Alkohole. Weil deren Anteile jedoch gegenüber dem Ethanol für gewöhnlich verschwindend gering sind (etwa 1/1000 des Gesamtalkoholgehalts), kann dieser Fehler - außer bei Fäulnisalkoholen - vernachlässigt werden.

Widmark-Verfahren

Dieses älteste der drei Verfahren wurde 1922 erstmals von dem schwedischen Biochemiker Widmark beschrieben und ab 1932 in Laboratorien zur Blutalkoholbestimmung eingesetzt. Der in der Blutprobe enthaltene Alkohol wird in einem speziellen Glasgefäß im Wege der Mikrodestillation durch Erhitzen auf 60 ° C innerhalb von 2 Stunden in die Dampfphase überführt und reagiert dabei mit einer genau vorgegebenen Menge Kaliumdichromat-Schwefelsäurelösung, die teilweise zu Cr III reduziert wird. Die danach verbliebene Restmenge an Kaliumdichromat kann anhand der eingetretenen Verfärbung photometrisch oder nach Zusatz von Kaliumjodidlösung durch Titration mit Natriumthiosulfatlösung bestimmt werden. Sie ist Gradmesser des stattgefundenen Umwandlungsprozesses, der wiederum von der Alkoholmenge abhängt.

Weil das Verfahren sehr zeitaufwändig ist und zudem auch andere reduzierende im Blut vorhandene Substanzen erfasst werden, wird es - wenn überhaupt - nur noch selten zur Bestimmung des Alkoholgehalts angewandt.

Begleitstoffanalyse

Häufig wird von Kraftfahrern, die sich zunächst unerlaubt von der Unfallstelle entfernt haben, um sich den Feststellungen zu entziehen (Fahrerflucht) und bei deren späterer Ermittlung dann eine alkoholische Beeinflussung festgestellt wird, behauptet, sie hätten erst nach dem Vorfall „auf den Schrecken hin“ Alkohol zu sich genommen (sog. Nachtrunkbehauptung). Um diese Angaben überprüfen zu können, lassen sich erfahrene Polizeibeamte detailliert schildern, wie viel und vor allem welche Sorte(n) von alkoholischen Getränken der Verdächtige angeblich nach dem Unfall getrunken hat. Letzteres ist deshalb von Bedeutung, weil jedes alkoholische Getränk (Bier, Cognac, Wein, Whisky etc.) ganz charakteristische Begleitstoffe, Fuselalkohole und Aromastoffe enthält, die seinen typischen Geschmack ausmachen.

Mittels speziell eingestellter Gaschromatografen und einer Probenvorbereitung, die den Nachweis von sehr geringen Mengen an flüchtigen Substanzen erlaubt, kann eine Blutprobe im GC-Verfahren (vgl. oben) auch auf das Vorhandensein und die genaue Art und Zusammensetzung derartiger Begleitstoffe untersucht werden. Der Vergleich der Analyseergebnisse mit Referenzmessungen bekannter Getränke und Referenzmessungen von Blutproben freiwilliger Versuchspersonen nach kontrollierter Aufnahme solcher Getränke ermöglicht dann die genaue Feststellung, welche Sorten von Alkohol der Beschuldigte tatsächlich zu sich genommen hat und gegebenenfalls ob diese Getränke auch im Nachtrunkzeitraum konsumiert worden sein können. Stellt sich dabei heraus, dass entweder Getränke genannt wurden, deren typische Begleitstoffe in der Blutprobe nicht nachgewiesen werden konnten oder dass umgekehrt Begleitstoffe gefunden wurden, die zwar nicht in den behaupteten, wohl aber in anderen – mutmaßlich verschwiegenen – Getränken enthalten sind, ist das ein gewichtiges Indiz dafür, dass die Nachtrunkbehauptung unzutreffend sein könnte.

Dabei erlaubt die Begleitstoffanalyse auch die Überprüfung eines Alkoholmissbrauchs über einige Zeit und einen allgemeinen chronischen Alkoholmissbrauch.

 

[1] Aderjan, R. et al. (2011) Richtlinien zur Bestimmung der Blutalkoholkonzentration (BAK) für forensische Zwecke – BAK-Richtlinien. Blutalkohol (48), 137-143